365 Tage nach Olympia – Das Interview

Genau ein Jahr ist es her, dass Bettina Plank die historische Bronze-Medaille der Sommerspiele der XXXII. Olympiade gewonnen hat. Wir haben die 30-jährige Heeressportlerin zum Interview getroffen, um Fragen zu stellen, gemeinsam zurückzublicken und nach vorne zu schauen.

Lass uns auf Tokio 2020 zurückblicken: Wie waren die Olympischen Spiele für dich?

Die Spiele waren definitiv das Highlight meiner bisherigen sportlichen Karriere. Dass ich dieses Erlebnis mit einer Medaille krönen durfte, war ein absoluter Traum und ein Gefühlschaos – mit Freudentränen, vielen Emotionen und Gefühlen, die sich über die letzten Jahre angestaut hatten. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Erfahrung, gemeinsam mit meinem Team, dort so machen durfte.

Hättest du vor zwei Jahren geglaubt, dass du in Tokio eine Medaille holst?

Nein, nicht wirklich – es stand immer der Kampf um die Qualifikation im Vordergrund. Die Qualifikationsphase war ein langer und lehrreicher Weg. Der Umgang mit resultatbezogenem Denken ist schwierig und ich habe gelernt, mit dieser Art des Denkens umzugehen. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, dass ich versuche, mich auf das zu fokussieren, was gerade vor mir liegt, damit ich meine bestmögliche Leistung abrufen kann.

Was war das Geheimrezept zum Erfolg?

Wenn ich das sage, ist es ja kein Geheimrezept mehr. Durch die Qualifikation ist sehr viel Druck von mir abgefallen. Hilfreich war wohl, dass ich es tatsächlich geschafft habe, die kurze Zeit vor Olympia, aber auch den Wettkampf vor Ort, in vollen Zügen genießen zu können. Ich habe es so genossen, auf dieser großen Bühne performen zu dürfen und war total im Moment.

Wie nervös warst du vor deinen Kämpfen in Tokio und wie nervös bist du generell, bevor du die Wettkampffläche betrittst?

Ich bin immer etwas nervös bzw. angespannt vor einem Wettkampf – es geht darum, das richtige Level herzustellen. Wenn ich nicht nervös bin, dann stimmt etwas nicht – ich brauche eine gewisse Angespanntheit. An den Tagen vor Tokio verspürte ich eine extreme Anspannung, die zum Teil nicht auszuhalten war. Verschiedene Techniken und Methoden haben mir aber geholfen, mich zu kontrollieren. Überraschenderweise war die Nervosität am Wettkampftag dann nicht so schlimm – ich war zu 100 Prozent fokussiert und konzentriert. Aber eine gewisse Nervosität spielt immer mit, sie darf einen nur nicht blockieren.

Wo befindet sich deine Olympiamedaille?

Relativ unspektakulär in einer Vitrine in meiner Wohnung in Linz. Ich habe für die Medaille eine schöne Aufbewahrungsbox bekommen, darin liegt sie momentan. Aber irgendwann bekommt die Medaille sicherlich noch den Platz, den sie verdient hat.

Was ist der „Olympia Moment 2020“ für dich?

Da hat es sehr viele davon gegeben. Ganz besonders erinnere ich mich an den Moment im Wettkampf, als ich erfahren habe, dass ich fix eine Medaille habe. Als ich diesen Moment kurz mit meinem Trainer Juan Luis genießen konnte, zu sehen, wie er reagiert und das gemeinsam mit ihm erleben zu dürfen, war einzigartig. Ein weiterer „Olympia Moment“ war die Siegerehrung, die wie ein Film bei mir abgelaufen ist, weil ich es damals noch nicht realisieren konnte, oder wie wir im Österreich-Haus mitten in der Nacht vom ganzen Team empfangen worden sind. Es hat so viele schöne Momente gegeben, ich könnte so viele aufzählen …

Welche Bedeutung hat Olympia für dich in deiner Karriere?

Als Kind habe ich die Olympischen Spiele immer mitverfolgt und war von den vielen Sportarten beeindruckt. Als Karate dann 2016 olympisch geworden ist, waren die Spiele plötzlich ein Thema in meiner Sport-Karriere. Ich durfte es am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, die Olympischen Spiele mitzuerleben. Es geht dabei nicht nur um den einen Tag X, sondern vielmehr um die ganzen Jahre davor – was man alles durchmacht und wieviel Disziplin und Fleiß notwendig ist, bis man zu diesem Ziel kommt. Es hängt von so vielen Faktoren ab, die man selbst oft nicht beeinflussen kann, ob man am Wettkampftag eine Medaille holt oder nicht. Der Weg zu den Olympischen Spielen prägt einen, und die Medaille hat immer nur die Wertigkeit und Wichtigkeit, die man der Medaille schenkt. Für mich hat die Medaille, betrachtet man die jahrelange Vorbereitung und harte Qualifikationsphase, einen sehr hohen Stellenwert und eine große persönliche Bedeutung.

Wer waren deine wichtigsten Begleiter auf deinem Weg zur Olympia-Medaille?

Die allerwichtigste Person war und ist mein Trainer Juan Luis. Ohne ihn und mein Team wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Hinter jedem Erfolg stehen viele Personen, die sich nicht immer im Rampenlicht befinden, wie beispielsweise meine Familie. Meine Trainingsgruppe in Linz war bei der Vorbereitung immer für mich da und hat mir geholfen, wo es nur gegangen ist. Ich hatte auch das Glück, dass ich mit Matthias und Aleksandra zwei tolle Trainingspartner mit nach Japan nehmen durfte. Es war extrem hilfreich, meine Physiotherapeutin Teja Koncina und meine Sportpsychologin Karoline Turner an meiner Seite gehabt zu haben. Ein Keypoint war auch die Kooperation mit der Stadt Kameoka, wo wir uns in der schwierigen Coronazeit sehr wohl gefühlt haben und uns optimal vorbereiten konnten. Weitere wichtige Wegbegleiter, die auch sehr viel hinter den Kulissen gearbeitet haben, waren Ewald Roth und Martin Kremser. Die Unterstützung der Olympiazentren von Oberösterreich und Vorarlberg und vom ÖOC war ebenfalls wesentlich für meinen Erfolg. Für dieses Team, die vielen weiteren Personen im Hintergrund und all meine Supporter bin ich extrem dankbar!

Was hat sich seit Tokio für dich verändert und was hat sich in dem einem Jahr danach bei dir getan?

Die Zeit nach Tokio war, ehrlich gesagt, keine einfache Zeit. Die mediale Aufmerksamkeit war natürlich sehr groß und rückte den Karatesport ins Rampenlicht. Wir hatten aber einige Hürden nach den Spielen zu überwinden und hätten mehr Zeit gebraucht, um alles loszulassen und zu verarbeiten. Die Zeit nach Tokio war eine genauso herausfordernde Zeit wie vor den Spielen, nur mit anderen Themen und Schwerpunkten. Diesen Erfolg erfahren zu dürfen, war unglaublich – jetzt gilt es, das Beste aus der Situation zu machen. Ich hoffe, diese Medaille leistet einen Beitrag dazu, unsere Sportart bekannter zu machen und Karate zu den Menschen zu bringen. Aus sportlicher Sicht ging es nach den Spielen gleich weiter und ich habe gemerkt, dass ich mal eine richtige Pause brauche. Diese hatte ich diesen Sommer. Jetzt hoffe ich, dass ich im Herbst wieder voll durchstarten kann.

Was hältst du davon, dass Karate aktuell nicht mehr im olympischen Programm ist?

Es ist sehr schade und bedauerlich für unsere Sportart. Wir haben es erleben dürfen, was es heißt, eine olympische und eine nichtolympische Sportart zu sein. Das sind zwei Welten. Vor allem bei den finanziellen Unterstützungen durch die Fördergeber. Ich finde es schade, dass die jüngere Generation nicht die Möglichkeit bekommt, auf so ein Event hinzuarbeiten. Aber die Entscheidung liegt nicht in unseren Händen und ich hoffe, dass die Verantwortlichen die richtigen und wesentlichen Schritte setzen, denn die ganze Karatewelt hofft ja auf eine Wiederaufnahme bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles. Karate bleibt aber nach wie vor Bestandteil der European Games, die unter der olympischen Flagge ausgerichtet werden. Es wäre wünschenswert, dass diese Spiele auch die Anerkennung und Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.

Welche sportlichen Ziele hast du für die Zukunft?

Ich habe nach wie vor viele sportliche Ziele. Für mich war immer klar: Nach Tokio mache ich weiter! Heuer stehen noch zwei Premier League Turniere in Baku und Los Angeles am Plan. Das kommende Jahr wird wieder ein volles sportliches Jahr. Wir haben im Frühjahr die Europameisterschaft, es geht um die Qualifikation für die European Games, und im Herbst 2023 ist die Weltmeisterschaft. Es stehen also große Events am Programm und dazwischen zahlreiche Premier League Turniere. Wir haben einiges vor und dann schauen wir weiter – eines nach dem anderen.

Schafft man es parallel zur Schule ins Nationalteam zu kommen?

Logisch! Die meisten SportlerInnen im Nationalteam haben das während ihrer Schulzeit gemeistert. Verschiedene Schulsportmodelle können einen da unterstützen. Ich war damals zum Beispiel in einem Sportgymnasium in Dornbirn und das hat mir sicherlich auch den Weg dafür geebnet. In Oberösterreich waren einige Mädels meiner Trainingsgruppe im BORG Linz für Leistungssport. Es ist definitiv machbar – das wichtigste ist, dass man will und Ehrgeiz hat.

Was rätst du jungen SportlerInnen, die wie du eine Profi-Karriere anstreben?

Dass man sich nicht unterkriegen lassen sollte. Wenn man etwas ganz fest will, bereit ist, Opfer dafür zu bringen und alles daran zu setzen, seine Ziele zu erreichen, dann kann man vieles schaffen! Es ist nicht einfach und nicht immer alles schön und super, aber eine Sport-Karriere kann einem die besten Gefühle und einzigartige Möglichkeiten bescheren. Es ist nicht selbstverständlich, dass ich mein Hobby zum Beruf machen durfte. Ich lebe genau das Leben, das ich möchte und ich würde es nicht eintauschen wollen. Auf dem Sportweg macht man so viele Erfahrungen, die einen nur weiterbringen können und die einen stärker machen. Auch wenn es zuvor nur Träume sind – Träume werden irgendwann zu Zielen und diese Ziele sollte man nicht mehr aus den Augen verlieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

Fotos: ÖOC/GEPA Pictures